Landtag erinnert an Anschlag vom 25. April 2007 in Heilbronn und alle Opfer des NSU

Veröffentlicht am 20.04.2017 in Landespolitik

Foto Landtagspressestelle: Heilbronn 04.05.2015

Auch zehn Jahre nach den NSU-Mordanschlägen tut Aufklärung Not / Am Dienstag, 25. April 2017, nehmen zahlreiche Mitglieder des Untersuchungsausschusses „Das Unterstützerumfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Baden-Württemberg und Fortsetzung der Aufarbeitung des Terroranschlags auf die Polizeibeamten M. K. und M. A.“ mit dem Vorsitzenden des Gremiums, Wolfgang Drexler MdL, an der offiziellen Gedenkfeier in Heilbronn als Repräsentanten des Landtags von Baden-Württemberg teil.

Anlässlich des zehnten Jahrestags des Anschlags auf die Polizeibeamtin Michèle K. und ihren Kollegen auf der Theresienwiese in Heilbronn betonte der Ausschussvorsitzende Wolfgang Drexler: „Alle Opfer des NSU mahnen uns, nicht zu vergessen und alles heute noch mögliche zu tun, um verbliebene Fragen zu klären. Vor allem gilt es, soweit noch irgendwie möglich, die Wahrheit über den menschenverachtenden rechten Terror, der so viel Leid auf unterschiedlichste Arten verursacht hat, seine Täter und Helfer zu erfahren - und alles zu tun, dass er zukünftig effektiv erkannt, verhindert und bekämpft wird!“

Es gebe allerdings immer wieder unbegründete, zum Teil wider besseres Wissen wiederholte Mutmaßungen, als hätte es die vielfältige, mühsame Aufklärungsarbeit der Ermittler und Abgeordneten zum NSU nicht gegeben. Häufig scheine es auch verlockender, stattdessen die Terrorgruppe als spannenden Krimi zu betrachten und Realität und Fiktion zu vermischen. „Tatsächlich muss man sich auf die wirklich noch offenen Fragen konzentrieren“, so Wolfgang Drexler. „Wenn wir keine Folgerungen aus dem perfiden, vielfältigen Rechtsextremismus des NSU für unsere Zukunft und Gegenwart ziehen, sondern uns immer wieder im Kreis drehen, gewinnen nur die Terroristen.“

Für den Vorsitzenden steht fest, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos mit dem von ihnen am 16. April 2007 angemieteten Wohnmobil nach Heilbronn fuhren und am 25. April 2007 die heimtückische Mordtat an den beiden arglosen Beamten verübten, weil sie Repräsentanten des ihnen verhassten demokratischen Rechtsstaats treffen wollten. Dafür spreche nicht nur das nachweislich bereits kurz nach der Tat - und lange vor der Aufdeckung - erstellte Bekennervideo, das am Ende vier markante Fotos zur Tat in Heilbronn zeige. Auch gebe es dort eine Szene, in der einem Polizisten ebenso in den Kopf geschossen wurde, wie dies auf der Theresienwiese geschehen sei. Unterstützt werde dies auch durch die am 4. November 2011 bei der Aufdeckung des NSU im Wohnmobil wie Trophäen aufgefundenen Dienstpistolen und Gegenstände, die beiden Opfern in Heilbronn abgenommen worden waren. Ebenso wurden die Tatwaffen im Unterschlupf des NSU in Zwickau gefunden. Zu der ebenfalls gefundenen Jogginghose mit Blutantragungen von Michèle K. und DNA von Uwe Mundlos hätten Sachverständige plausibel vorgetragen, dass dieser sie beim Erschießen der Beamtin getragen haben könne. Und nicht zuletzt habe Beate Zschäpe selbst erklärt, die beiden Uwes hätten den Mord begangen und es ihr mitgeteilt.

Es spreche auch alles dagegen, dass es dem NSU um Michèle K. oder ihrem Kollegen wegen deren Person gegangen sei. Die umfassende Aufklärung des vergangenen Untersuchungsausschusses des Landtags hätten gezeigt, dass eine geplante Tat auf Michèle K. oder ihren Kollegen praktisch nicht vorzubereiten und durchzuführen gewesen sei. Beide Polizisten hätten sehr spät gewusst, dass sie in Heilbronn eingesetzt und um 13:45 Uhr auf die Theresienwiese fahren würden. Niemand sonst hätte wissen können, dass sie sich zur Tatzeit um 14:00 Uhr dort befinden würden. „Wir haben hier alles ausgeschlossen, Verfolgungsfahrten, Abhören des Funks oder von Telefongesprächen, Peilsender etc.“, so Drexler: „Und wenn jemand es auf einen von beiden abgesehen gehabt hätte, hätte er für ein Attentat viel einfachere Möglichkeiten gehabt, etwa bei Michèle K. in Thüringen.“ Zudem sei trotz intensivster Nachforschungen kein persönliches Motiv erkennbar. Insbesondere, so Wolfgang Drexler, verwahre er sich auch zum Schutz der Opfer dagegen, dass diesen unmittelbare Kontakte in rechte Szenen angedichtet worden seien. Dafür habe es nie eine Grundlage gegeben.

Schließlich aber widerspreche vieles der Theorie einer Spontantat. Dazu gehöre vor allem der Tatverlauf, das von den Polizisten unbemerkte Heranschleichen, die praktisch zeitgleiche koordinierte Schussabgabe von beiden Seiten des PKW sowie der Raub von Gegenständen und die Flucht innerhalb von ca. zehn Minuten auf dem belebten Platz sowie die Flucht mit dem Wohnmobil, die aufgrund der Notierung an einer Kontrollstelle an einer kleinen Nebenstraße, gut geplant und praktisch sofort nach der Tat erfolgt sein muss. „Das wiederum entspricht allen bekannten Taten des NSU – überaus präzise Vorbereitung, um trotz immer riskanterer Anschläge, zuletzt auf Polizeibeamte selbst, unentdeckt entkommen zu können“, so Drexler. Auch die Verlängerung der Wohnmobilmiete um eine Woche spreche für eine präzise geplante Tat.

„Warum Heilbronn? Wie kam der NSU aus Thüringen, der seit langem im Untergrund in Sachsen lebte, ausgerechnet auf die Neckarstadt?“ Das bleibe, so Drexler weiter, die am tiefsten bohrende Frage. Die Hauptaufgabe des aktuellen Untersuchungsausschusses liege daher darin, das mögliche Unterstützernetzwerk der Terrorgruppe in Baden-Württemberg und mögliche Hinweisgeber und Helfer aufzuhellen. Jedoch zeige sich immer mehr, dass die Chance, die wesentliche Frage, wer aus der dichten und gut nach Osten vernetzten rechten Szene in Baden-Württemberg die Terrorgruppe tatsächlich unterstützt habe, immer schwieriger zu klären sei. „Das ist unbefriedigend“, so Drexler.

Durch grobe Fehler seien nicht nur Chancen vereitelt worden, die Taten zu verhindern, sondern auch eine Aufklärung trotz aller Anstrengungen fast unmöglich. „Hätte das LKA die Kontaktadressen, die seit dem Untertauchen des Trios 1998 unbeachtet in Thüringen lagen, gehabt, hätte es zumindest Uwe Mundlos bei seinen Besuchen in einem Ludwigsburger Keller festnehmen können. Dass bei der operativen Fallanalyse Rechtsextreme als mögliche Täter keine Rolle spielten, macht mich ebenfalls fassungslos“, so Wolfgang Drexler. Es bleibe für ihn aber Ansporn und Hoffnung: „Nur mit dem Zusammenwirken aller Kräfte, und dabei hoffe ich auch weiter auf alle Sicherheitsbehörden, können wir das Versprechen der Bundeskanzlerin einlösen, dass wir alles tun werden, die Schande des Rechtsterrorismus und Rechtsextremismus aufzuklären. Beispielsweise muss das BKA die Funkzellendaten vor allem am Vormittag der Bluttat umfassend auswerten und auf sogenannte „Kreuztreffer“ abgleichen, um auf mögliche Kontaktpersonen und Helfer zu kommen“, machte Drexler abschließend deutlich.

Hierbei handelt es sich um eine Pressemitteilung des Landtags von Baden-Württemberg.

 

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